Wir haben einen Traum… !!! ( Reloaded )
Träume wiederholen sich ab und zu ... Gleich 3 Fahrer des Cycling Team Essen hatten am 28.08.2011 die Gelegenheit Ihren Traum zu wiederholen, bzw. ihn erstmalig zu erleben.
Mit von der Partie war auch der Ex-Tour-de-France-Sieger Jan Ullrich. Zusammen mit seinem Freund - dem Ex-Slalom-Weltmeister Frank Wörndl - fuhr Ullrich den "Ötzi" im Rahmen eines Charity-Projekts. Erst Anfang August kehrte Jan Ullrich nach über 4 Jahren Abstinenz aufs Rad zurück. Mit dem Ötztaler Radmarathon hat er sich sicherlich nicht das leichteste Rennen für sein "Comeback" ausgesucht !
Zurück zum Cycling Team Essen: Ferdi, der erstmals Bekanntschaft mit den Alpen machte - hat einen tollen Bericht geschrieben.
Also, lehnt euch zurück und geniesst es !
Das Wichtigste vorab: Ich habe noch gerade Beine ! Befürchtungen, dass zu lange und steile Anstiege zu krummen Beinen führen, haben sich glücklicherweise nicht bestätigt.
Aber nun zur Veranstaltung und dem Rennen im schönen österreichischen Sölden. Über das Rennen braucht man glaube ich nicht viel zu erzählen, da es ohnehin jeder kennt der etwas mit dem (Renn-) Radsport zu tun hat. Trotzdem kurz die Fakten: 240 Kilometer Distanz, 4 Alpenpässe, mit dem Hammer dem Timmelsjoch zum Schluss.
Für mich war der Ötzi überhaupt die erste Begegnung mit den Alpen per Rad. Niemals zuvor bin ich ansatzweise solche Berge ( in einer solchen Länge ) hinauf- oder heruntergefahren, entsprechend groß war mein Respekt, vor allem da ich nicht gerade Bergfloh bezeichnet werden kann. Ohnehin war meine körperliche und trainingstechnische Verfassung in 2011 schon mal wesentlich besser zu Beginn der Saison im April und Mai. Anschließend konnte ich nur noch unregelmäßig maximal 2 Tage die Woche trainieren, da durch einen Umzug mein gesamter Zeitplan und Tagesrhythmus umgestellt werden musste. Dass mein Gewicht von 78 kg im März auf 88 kg zum Ötzi im August angewachsen war, tat sein Übriges, dass für mich eigentlich nur das Ankommen als Ziel ausgegeben werden konnte
Offen hatte ich dies auch kommuniziert an Teamkollegen und Frau. Allerdings, da bin ich ehrlich, änderte sich dies am Abend vor dem Rennen beim Essen mit Olaf und unseren Frauen dann schnell, da Olaf als sein persönliches Ziel das Unterbieten der 10-Stunden-Marke ausgegeben hatte. Da wollte ich dann natürlich mithalten und setzte mir ebenfalls dieses Ziel, besser noch mindestens eine Radlänge vor Olaf ins Ziel kommen.
Der Startschuss zum Rennen war wie üblich in aller Früh um 6.45 Uhr - bei ca. 6°C. Problematisch hier natürlich die richtige Kleidung zu wählen, denn spätestens nach gut 45 Minuten am Aufstieg zum Kühtai legt man möglichst viele Klamotten wieder ab, denn die große Hitze macht sich im Körper bei bis zu 18% Steigung schnell bemerkbar. Ich legte mir meine Arm- und Beinlinge, sowie eine Windjacke über, lange Handschuhe hatte ich nicht im Gepäck, was sich bei kommenden Teilnahmen aber mit Sicherheit ändern wird, denn ich war sicherlich kurz davor, meine Finger aufgrund extremer Kälte zu verlieren.
Trotz der Kälte am Start war ich mit dem Wetter und den Temperaturen zufrieden, konnten wir doch schließlich im Trockenen starten, wo es doch Tags zuvor extrem geregnet, gehagelt und sogar geschneit hatte ! Laut Aussage des Veranstalters hätte das Rennen sicherlich abgesagt werden müssen, wäre das Wetter vom Samstag selbiges am Sonntag gewesen. Somit ging ich glücklich an den Start und nutzte die ersten Kilometer im Pulk, um meine Beine etwas aufzuwärmen und aufzulockern, hierzu eignen sich die ersten ca. 35 Kilometer bis zum Anstieg in Oetz hervorragend, da diese flach bzw. abschüssig sind.
Entspannt bereitete ich mich auf den ersten Anstieg 18,5 km hoch zum Kühtai vor, der ja für mich in die Geschichte als erster mit dem Rad erklommener Alpenpass eingehen sollte. Unten am Anstieg direkt die Jacke ausgezogen und die Arm- und Beinlinge runtergestreift. Olaf, Ati und ich blieben zusammen und suchten unser Tempo und unsere Linie auf der schmalen Straße, die mit vielen Radfahrern gesäumt war. Schnell fand ich mein Tempo aufgrund der Kompaktkurbel mit 34/29-Übersetzung sehr angenehm zu fahren. Hier nochmals einen herzlichen Dank and die Firma Sport4You aus Sölden, die mir für einen sehr geringen Betrag ein Carbonbike mit eben dieser Übersetzung für das Rennen zur Verfügung gestellt hat. Alternative wäre mein eigenes Bike mit 39/23-Übersetzung gewesen, krumme oder gebrochene Beine wären sicherlich noch die harmloseste Folgeerscheinung gewesen.
Der Kühtai für sich ist auch in der Folge sehr angenehm, daran änderten auch die bis zu 18% steilen Rampen und wenig. Klar, Kraft und Motivation waren zu diesem Zeitpunkt natürlich noch reichlich vorhanden, also konnten wir in genau 2 Stunden die Passhöhe erreichen und nach kurzem Nachfüllen der Trinkflaschen in die rasante Abfahrt starten. Diese erwies sich als technisch relativ einfach, viel Geschwindigkeit konnte aufgenommen werden ( fast bis an die 100km/h- Schallmauer ), die Kurven waren relativ weit, keine Serpentinen oder sonstige Gefahrenstellen. Olaf und ich konnten uns in der Abfahrt zusammenhalten und fuhren nach der Abfahrt schnell zu einer größeren Gruppe auf, mit der wir anschließend zum und über den Brennerpass (39 Kilometer, jedoch relativ flach ) rollen konnten. Diesen langen, aber eben nicht allzu steilen Anstieg nutzte ich intensiv um die Eindrücke der Landschaft aufzunehmen. Wunderschöne Gegenden, tolle Berge und ein Kaiserwetter steigerten die Motivation schier ins Unermessliche. Auch die Kraft war noch gefühlt uneingeschränkt vorhanden, somit bisher noch keine Sorgen, dass angestrebte Ziel unter Stunden nicht erreichen zu können.
Auf dem Brennerpass angekommen, verpflegten wir uns kurz mit allerlei Essbarem und Getränken, bevor es anschließend bergab ging. Ziel der nächste Anstieg zum Jaufenpass, der wieder wesentlich steiler sein sollte und eine Länge von 15,5 Kilometer aufwies. Der Jaufenpass war für mich der erste Alpenpass, der so gebaut ist, wie ich mir einen Alpenpass vorstelle. Viele Serpentinen, schmale Straßen durch schöne Wälder gebaut und ein Panoramaausblick auf benachbarte Gipfel. Olaf und ich fuhren die ersten Kilometer gemeinsam, schnell packte mich jedoch meine jugendliche Ungestümheit und ich musste etwas Tempo machen. Olaf, klug und erfahren wie er ist, lies sich davon zum Glück nicht heiß machen und fuhr seinen Stiefel in Ullrich-Manier ( dicke Gänge ) weiter, um seinen Rhythmus und sein eigenes Tempo zu behalten. Fahrer um Fahrer konnte ich den Jaufenpass hinauf überholen. Dies motivierte mich natürlich noch mehr, wobei ich mich zusätzlich damit motivierte darüber zu spekulieren, wie viele Kilos ich wohl mehr mit mir rumschleppte, als meine Kontrahenten. Mein Tempo konnte ich den ganzen Anstieg über halten, wenngleich ich das Ende des Anstiegs doch herbeisehnte, vor allem, da die Sonne mit all ihrer Kraft auf uns Fahrer schien und mir der Schweiß literweise den Körper runter floss.
Aber auch ein Jaufenpass hat mal ein Ende und ich verpflegte mich einmal mehr an einer der Labestationen . Da diese immer sehr gut besucht sind und es teils zugeht wie im Schweinestall bei der Essensausgabe ( sorry Schweine ), dauerte es mindestens 5 Minuten bis ich mich mit Essen und Getränken eindecken konnte, sodass plötzlich mein geschätzter Freund Olaf neben mir stand. Schnell verpflegten wir auch ihn und machten uns auf die letzten Meter zur Passhöhe, bevor die schwierige Abfahrt anstand.
Auf dem Pass angekommen, machte ich mich dran mich schnell mit Bananen, Gels und Red Bull vollzustopfen, sodass mein Körper während der Abfahrt neue Energie zu sich nehmen konnte, um am direkt nach der Abfahrt folgenden Anstieg zum letzten Pass dem Timmelsjoch wieder aufgetankt Bestleistung geben zu können. Die Abfahrt des Jaufenpass ist technisch schwierig, da die Straßenverhältnisse teils miserabel sind. Tiefe Schlaglöcher, die aufgrund von Schatten auch noch schlecht zu erkennen sind, sowie enge Serpentinen erfordern volle Konzentration und Technikeinsatz, um einen Sturz zu vermeiden. Eine gefährliche Situation musste ich denn auch erleben, als ich vor einer Serpentine mit ca. 80km/h angeschossen kam und die Hinterbremse etwas zu stark beanspruchte. Das Hinterrad stellte sich quer und ich wäre beinahe geradeaus den Abhang runter gefahren, was ich sicherlich nicht nur mit ein paar Schürfwunden überstanden hätte. Entsprechend fuhr ich meine Risikobereitschaft umgehend herunter und begnügte mich damit, die Abfahrt zwar schnell, aber auch mit Spaß und vor allem einem gesunden Körper zu überstehen. So sollte es auch sein und ich kam unbehagt unten an.
Leider musste ich feststellen, dass der Anstieg zum Timmelsjoch jedoch direkt auf die Abfahrt des Jaufenpasses folgt ! Da die Beine in der Abfahrt so gut wie gar nicht eingesetzt werden können, waren diese entsprechend schwer , als es in die fast 30 Kilometer lange Steigung zum Timmelsjoch ging. Meine Beine fühlten sich ab hier zum ersten Mal an diesem Tag nicht gut an, ich befürchtete, dass ich während des Anstiegs auch nicht mehr meine Leichtigkeit der vorherigen Anstiege wieder finden würde. Leicht gestresst, aber dennoch mit gutem Gefühl ging es also in den Anstieg. Olaf hatte ich auf der Abfahrt verloren, der alte Mann hatte es sicher noch etwas ruhiger und vorsichtiger angehen lassen als ich, wenngleich er sicherlich nur ein paar Sekunden hinter mir lag. Ich beschloss jedoch, nicht zu warten, um nicht komplett aus dem Rhythmus zu kommen, denn vor dem brutalen Anstieg zum Timmelsjoch hatten mich Olaf und Ati vorher eindringlich gewarnt.
Respektvoll und mit schweren Beinen konnte ich die ersten Kilometer dann doch relativ schnell überwinden und war zeittechnisch auf jeden Fall unter der 10-Stunden-Marke, was mir noch ein wenig Motivation gab. Diese verflog aber schnell, da sich meine Beine immer schwerer anfühlten, die große Hitze mir weiterhin auf meinen Körper brannte und sich vor mir riesige Berge aufstellten. Ich wusste, dass die Passhöhe bei ca. 2.500 Meter liegt und ich starrte permanent auf meinen Radcomputer, der mir die aktuelle Höhe anzeigte welche jedoch noch unter 1.000 Meter lag. Motivierend war das nicht gerade, wobei der Anstieg noch nichtmals richtig begonnen hatte. Meter um Meter kam ich dem Ziel näher, allerdings ist der Anstieg eben fast 30.000 Meter lang und wirklich schnell war ich nicht unterwegs.
Bereits nach 5 Kilometern Anstieg sehnte ich mich dem Ende entgegen. Mein Blick richtete sich nur noch gen Asphalt, möglichst kein Blick hinauf die Straße oder den benachbarten Gipfeln, denn das hätte aufgrund der noch enormen Distanz nur noch mehr demotiviert. Mein Tritt wurde schwerfälliger, runterschalten war aber nicht mehr möglich, da ich schon im kleinsten Gang war. Spätestens jetzt war mir klar, dass ich doch besser ein paar Kilo weniger auf den Rippen hätte, um wie ein Alberto Contador die Berge hinauf zu sprinten. Der Anstieg kam mir schier unendlich lang vor, immer wieder starrte ich auf den Radcomputer um zu berechnen, wie lang der Anstieg mich noch quälen sollte. Das der Blick auf den Computer demotivierte, hatte ich ja bereits erwähnt, dennoch konnte man etwas Annäherung an das Ziel erkennen und somit beschäftigte ich mich den ganzen Anstieg damit, auf den Tacho oder den Asphalt vor mir zu starren.
Die letzten 5 Kilometer kam mir immer wieder der Gedanke eine Pause einzulegen, was ich jedoch tunlichst vermeiden wollte, da dies meinen Rhythmus sicherlich noch weiter gestört hätte, wenn man überhaupt noch von Rhythmus sprechen konnte. Einige Fahrer überholte ich, die offensichtlich nicht mehr weiter konnten und eine Pause einlegten oder gar ihr Rad den Berg hoch schiebten - bei bis zu 14% mit Radschuhen, auf denen es sich bekanntlich schlechter als auf High Heels läuft (was nicht bedeuten soll, dass ich jemals in High Heels gelaufen bin ).
Entkräftet kam ich endlich auf der Passhöhe an und die Gefühle überkamen mich. Glücklich und völlig KO zu sein ist schon wirklich eine sehr interessante Kombination, die ich aber auch nicht täglich benötige. Kraftlos ging es also in die Abfahrt, von der ich wusste, dass sie durch einen kurzen Zwischenanstieg nochmals unterbrochen werden sollte, was mir Ati am Abend zuvor mitgeteilt hatte. Langsam und vorsichtig fuhr ich durch die Serpentinen, denn die Konzentration war nicht mehr voll da Kraft sowieso nicht. Das Ziel war es nun noch heil ins Ziel zu kommen, dann wäre die Zeit von unter 10 Stunden auch problemlos zu erreichen. Trotzdem wurde es nochmals gefährlich, als ich mit ca. 70-80 km/h fast in eine Herde Schafe gerauscht wäre, die plötzlich vor mir aus dem Straßengraben gesprungen kamen. Um Haaresbreite konnte ich den Schafen und einem anderen sichtlich aufgeschreckten Radfahrer ausweichen und begab mich mit einem um ca. 200 Schläge erhöhten Puls in die letzte, kurze aber knackige Bergauf-Passage. Mit Mühe und Not konnte ich mich diesen ( ein paar hundert Meter ) noch hoch schleppen, bevor es anschließend endlich in die letzte, bis zum Ziel führende Abfahrt nach Sölden ging.
Auch diese Abfahrt war mit vielen Serpentinen gespickt, weshalb ich mich auch hier zurück hielt, vor allem, da ich extrem gut in der Zeit lag und nichts mehr riskieren brauchte. So konnte ich auch unbeschadet in Sölden ankommen, auch wenn ich wirklich nicht einen weiteren Kilometer Berg oder Flach hätte weiter fahren können, da meine Beine nur noch ein Anhängsel waren, aus denen sicherlich kein Quäntchen Antrieb für die Pedale mehr hätte herausgeholt werden können. Glücklich kam ich im Ziel an, mit einer Zeit von 9:32 Std., die mich alle Schmerzen und Strapazen sofort vergessen ließ. In der Zeit, die ich im Ziel auf Olaf wartete ( ich war mir sicher, dass er nicht lange auf sich warten lassen wird ), schwörte ich mich daher schon auf das kommende Jahr ein, bei dem ich unbedingt wieder starten möchte, wenn ich einen Startplatz ergattern kann.
Olaf kam denn auch kurz nach mit ins Ziel, mit einer Zeit von 9:52 Stunden konnte er sein persönliches Ziel erreichen und fast 40 Minuten unter Vorjahreszeit bleiben !!! Ati kam mit einer Zeit von 10:39 Std. ins Ziel und verbesserte sich damit gar um fast 1,5 Stunden zum Vorjahr! Ich glaube, diese Zeiten sind für uns sehr gut, auch wenn wir alle sicherlich in Zukunft versuchen werden, diese Zeiten noch weiter zu unterbieten.
Ein Riesen-Dankeschön geht an unsere Frauen, die wie immer geduldig auf uns gewartet haben und uns nach Zielankunft direkt in die Arme genommen haben und uns dringend nötige Energie zurück gegeben haben !
Fazit:
Ein tolles Rennen, bei tollem Wetter und mit tollen Teamkollegen! Nächstes Jahr auf jeden Fall wieder, dann aber mit mindestens 10 kg Gewicht weniger und einem durchgängigen Training. Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich hier maßlos überschätze, will ich beim nächsten Start in Sölden unter der Marke von 8 Stunden bleiben! Vielleicht setzte ich mich dann zur Ruhe !
Ferdi Cam |
Olaf Schröer |
Andreas Arens | |
Altersklasse |
Männer |
Männer M1 |
Männer M1 |
Platz Altersklasse |
381 |
915 |
1356 |
Platz gesamt |
1211 |
1531 |
2248 |
Kilometer |
238 |
238 |
238 |
Höhenmeter |
5500 |
5500 |
5500 |
Zeit Kühtaisattel |
02:01:59 Std. |
02:03:08 Std. |
02:04:50 Std. |
Zeit Brennerpass |
04:11:14 Std. |
04:11:18 Std. |
04:20:08 Std. |
Zeit Jaufenpass |
06:05:41 Std. |
06:05:51 Std. |
06:36:57 Std. |
Zeit Timmelsjoch |
08:56:01 Std. |
09:15:47 Std. |
10:00:03 Std. |
Zeit gesamt |
09:32:14 Std. |
09:52:29 Std. |
10:37:15 Std. |
Schnitt |
24,95 km/h |
24,10 km/h |
22,41 km/h |
In die Wertung kamen ...
3887 Fahrer über 238 Kilometer ( 793 Fahrer in der Altersklasse Männer und 2316 Fahrer in der Altersklasse Männer M1 )